Ich wollte schon immer mal nach Buchara. Als Kind habe ich die Geschichten aus 1001 Nacht verschlungen und mir vorgestellt, wie es wohl sein muss auf einer Karawane, beladen mit Schätzen aus dem Orient, heimzukommen. Und nun endlich bin ich dahin gereist, zwar nicht mit einer Karawane, aber mit Schätzen beladen bin ich heimgekehrt. Ich hab unglaublich viele Bilder, Farben, Töne, Geschichten und Eindrücke nach Hause gebracht, auch einige eher materielle Schätze des Orients, dass ich mich erstmal sortieren muss.
Wir, Hagen und ich, waren zwei Monate unterwegs, zwei Wochen in Usbekistan, vier Wochen im Iran und zwei Wochen in der Türkei. Wegen Covid und den damit verbundenen Einschränkungen konnten wir unsere Reise nicht so durchführen wie ursprünglich gedacht. Von unserer Idee, von Khiva in Usbekistan mit dem Zug durch Turkmenistan in den Iran zu reisen mussten wir leider Abstand nehmen, so dass wir einen Zwischenstopp in Dubai gemacht haben um von dort per Fähre in den Iran zu reisen. In Usbekistan als auch im Iran sind wir meist per Zug oder Bus unterwegs gewesen, in der Türkei haben wir uns ein Auto gemietet.
Unsere Zug und Busreisen waren aufregende Abenteuer. Wir waren überrascht, wie perfekt alles organisiert war, ich hatte mehr „orientalischen“ Trubel erwartet. Der Service war super, die Leute freundlich und sehr hilfsbereit. Meist haben wir in familiär geführten, traditionellen Häusern bzw. kleinen, privaten Hotels übernachtet. Wir haben überall freundliche und interessierte Menschen getroffen und oft lange Frühstücksgespräche miteinander geführt und unsere gegenseitige Neugier gestillt.
Usbekistan hat mich sehr an meine Kindheit erinnert. Ich hab dort ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen erlebt, Hilfe ohne Gegenleistungen zu erwarten, eine unglaubliche Freundlichkeit im Umgang miteinander. Auch bin ich ganz stolz gewesen dass ich mich mit meinen rudimentären Russischkenntnissen verständlich machen konnte.
Im Iran sind wir überall neugierig und sehr freundlich empfangen worden. Der Dreiklang aus „Where are you from? - What’s your name? - Welcome in my country!” alle paar Minuten war zwar manchmal etwas anstrengend, aber schon nach zwei Tagen in der Türkei hab ich ihn vermisst.
Wir hatten unseren Iranaufenthalt vor Abreise in der Datenbank des französischen Außenministeriums registriert, man weiß ja nie, was angesichts der politischen Situation so passiert. Mehrmals wurden wir per email aufgefordert das Land sofort zu verlassen, aber wir haben unsere Reisepläne nicht geändert. Niemals während unseres vierwöchigen Aufenthalts waren wir in Gefahr. Wir haben auch keine Demonstrationen gesehen. Einzig in Tehran waren viele Museen im Vorfeld angemeldeter Demonstrationen geschlossen. Wir haben Frauen mit, ohne und einer Andeutung von Kopftuch gesehen, (ich selber hatte eine ziemlich freie Version der Kopfbedeckung für mich kreiert) ohne dass jemand darauf reagiert hätte außer mit einem Lächeln oder zuzwinkern.
Wir haben Sicherheitskräfte gesehen, postiert an einigen größeren Kreuzungen, aber nicht in Aktion.
Ich bin ehrlich sehr zwiegespalten was ich über die Situation im Iran denken soll. Es geht nicht wirklich um die Kopfbedeckung der Frauen. Wirklich jeder Mensch mit dem wir gesprochen haben, hat gesagt, dass die wirtschaftliche Situation sehr schwierig ist, dass die „Mullahs“ gar nicht wissen wie die Menschen zurechtkommen, dass die religiös begründeten Regeln sich zu sehr ins private Leben einmischen.
Auch haben sie gesagt, dass Gewalt keine Lösung sei, die führt nur zu mehr Gewalt und dass ausländische Einmischung eine Gefahr für das Land ist. Einen Ausweg sehen viele darin, dass man miteinander reden und in Kooperation mit anderen Ländern die Wirtschaft entwickeln muss. In Richtung westliche Gemeinschaft denken die meisten dabei nicht, im Gegenteil.
Das, was in den westlichen Medien über die Ereignisse im Iran berichtet wird ist sehr selektiv und nicht die ganze Wahrheit.
Ich hab viele Projekte mit türkischen Partnern gemacht und hab die Türkei oft bereist. Vor acht Jahren war ich das letzte mal in der Türkei und als ich nun wieder einmal in Istanbul ankam, im Kopf all die Meldungen über die katastrophale Wirtschafts - und Finanzpolitik war ich total überrascht. Da hat sich eine Menge verändert, die Infrastruktur perfekt ausgebaut und modern und irgendwie strotzt das Land vor Energie und Selbstbewusstsein. Die Inflation ist mit 82% hoch und es ist mir ein Rätsel wie die Menschen damit klar kommen und gleichzeitig einen ungebrochenen Optimismus verbreiten.
Wir haben nur einen kleinen Teil dieses riesigen Landes bereist, haben uns den Südwesten etwas angeschaut und ein paar Tage in Bodrum und Fethiye am Strand ausgeruht. Ein bisschen hab ich aber schon die frühere Türkei vermisst. Heute ist alles perfekt und das alte Anatolien hab ich nur noch in Museen gesehen.
Ich hab auf dieser Reise gelernt, dass es ein zivilisiertes Leben weit vor den Römern gab, dass ich nichts substanzielles über diese Zivilisationen wusste, dass es nicht nur in den bereisten Ländern Internetzensur gibt, und dass die Rolle der westlichen Gemeinschaft seit der Kolonialzeit keine besonders positive ist (na, das wusste ich schon vorher, aber ich hab’s nochmal deutlicher gekriegt).
Es war eine wunderbare Reise mit vielen schönen Begegnungen, Überraschungen und Gesprächen. Die einzelnen Sehenswürdigkeiten mag ich gar nicht alle aufzählen, da war jede überwältigend, die Farben und Muster, die Architektur und Handwerkskunst. Wer mag, kann sich unsere Fotos anschauen.
Wer selbst eine Reise in diese Länder machen will und Fragen hat, kann mir gern schreiben.