Ich glaube, viele haben eine Vorstellung wie ihr Leben enden soll. Die meisten hoffen, dass es schnell und friedlich geht. Einfach umfallen oder besser noch, einfach einschlafen und nie wieder aufwachen. Ohne Schmerzen, nicht an medizinischen Apparaten hängend, nicht in einem Pflegeheim immobil zu landen.
Die Realität sieht oft anders aus. Manchmal kommt der Tod viel zu früh und unerwartet, manchmal hat Mensch noch nicht alles gemacht oder erlebt, was er sich vorgenommen oder erträumt hat, manchmal ist der Glaube an die Wunder der Medizin übergroß und Mensch kann sich nicht vom Leben verabschieden.
Organisatorisch kann man sich natürlich vorbereiten auf seinen Tod, mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung.
Trotzdem, das Lebensende kann qualvoll sein.
In Deutschland ist die aktive Sterbehilfe nicht erlaubt. Wenn jemand den Wunsch hat zu sterben, aus welchem Grund auch immer, dann lässt der Gesetzgeber das nur äußerst eingeschränkt zu. Die Hürden sind hoch, zu Recht will man Missbrauch vermeiden. Das ist verständlich.
Aber wie sieht aus aus mit dem Recht auf sein Leben? Gehört es mir? Darf mir jemand vorschreiben wie lange ich leben muß?
Es gibt Fälle, wo der Wunsch zu sterben als alleiniger Ausweg gesehen wird ein qualvolles Leben zu beenden, bei unheilbarer Krankheit beispielsweise. Aber auch bei Immobilität im hohen Alter, ans Bett gefesselt und auf fremde Hilfe für basale Lebensfunktionen angewiesen zu sein kann ein Motiv zu sterben sein.
Dennoch, man hat kein Recht auf Hilfe in solchen Fällen. Der einzige Ausweg ist oft die Verweigerung von Nahrung und Trinken (FVNF Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit oder FVET Freiwilliger Verzicht auf Essen und Trinken).
Diese Art zu sterben wird auch als Sterbefasten bezeichnet. Das ist in meinen Augen schon ein zynischer Euphemismus.
Man stelle sich doch einmal vor, wie das wohl von statten geht. Wieviel Mut und Entschlossenheit dazu gehört, so einen Sterbeprozess einzuleiten und durchzustehen. Sterben auf diese Art dauert ungefähr 7-14 Tage. Das ist demütigend und unwürdig, für den Menschen mit Sterbewunsch als auch für die Angehörigen.
Mein Vater ist 92 Jahre und sieben Monate alt. Er hat bis vor drei Wochen selbständig in seiner Wohnung leben und sich versorgen können. Durch Post Polio verlor er die Kontrolle über seine Beine und fiel um. Er wird nie wieder laufen können, hat rasant an Muskelkraft und Gewicht verloren und muß bis zu seinem Tod im Bett gepflegt werden.
Er will sterben.
Jeder auf der Palliativ Station versteht seinen Wunsch. Das medizinische Personal ist sehr einfühlsam und verständig. Erlösen von seinem Leiden können sie ihn nicht.
Er hat mich in den letzten Wochen jeden Abend angefleht, ihn aus dieser Situation zu erlösen. Es ist schwer zu ertragen ihn so hilflos zu sehen und nichts tun zu können. Der einzige Weg der ihm bleibt ist, Essen und Trinken einzustellen.
Was für ein qualvolles Lebensende!