Zwischen zwei Projektmeetings in Schweden und Finnland habe ich einen freien Tag in Stockholm. O.k., Stockholm im November ist nicht wirklich ein Traumziel, es wird niemals hell, es regnet beinahe ununterbrochen und es ist kalt. Dennoch, ich mache mich relativ zeitig morgens auf den Weg, um die Stadt zu erkunden. Mein Hotel liegt zentrumsnah und es ist einigermaßen erschwinglich, aber es ist wie in allen Großstädten, man bezahlt viel für ein paar Stunden Schlaf.
Ich nehm die Metro nach Gamla Stan dem alten Stockholm. Die Straßen sind noch wie ausgestorben, ich genieße es allein in den alten, schmalen Gassen herum zu schlendern. Die alten Häuser sind rot, gelb, braun, orange, grün und weiß, bunte Farbkleckse in all der Dunkelheit. Natürlich finde ich auf Anhieb das Antiquitätenviertel, dafür brauch ich keinen Stadtplan, ich “rieche” das. Es gibt hier diese wunderschönen Kristallüster aus der gustavianischen Zeit, die im Original beinahe unbezahlbar sind. Aber es gibt auch spätere Exemplare, die nicht weniger schön und durchaus erschwinglich sind.
Ich fachsimple ein wenig mit dem Besitzer des Lädchens,schließlich habe ich mal mit antiken Lampen gehandelt. Er erklärt mir jedes Detail an diesen Prachtexemplaren und dann zeigt mir noch das Erdgeschoss des Hauses. Das Haus ist aus dem 17. Jahrhundert, der Besitzer hat die alten Balken, den originalen Fußboden und die alte Feuerstelle freigelegt. Es sieht natürlich alles sehr kuschelig aus, aber wenn ich mir vorstelle, wie die Leute früher hier gelebt haben, dann war das doch sehr klein, eng, kalt und ärmlich. Hier haben bestimmt keine wohlhabenden Leute gewohnt.
Der Antiquitätenhändler empfiehlt mir noch die Konditorei Sundberg, das älteste Cafe der Stadt. Ich bedanke mich und laufe weiter durch die Gassen Richtung Schloß. Hier werden die Häuser prächtiger, mit großen, prächtigen Eingängen. Ich bin fasziniert von diesen wunderschönen Türen und versuche Fotos davon zu machen, was nicht einfach ist, denn es ist relativ dunkel und die Gassen sind teilweise sehr eng. Ich laufe weiter durch die Straßen, vorbei an der Schwedischen Akademie der Wissenschaften hinüber zum Schloß. Denn von dort tönt Musik durch die Altstadt. Die große Wachablösung, die jeden Mittag 12.00 Uhr stattfindet, hat gerade begonnen und ein paar Schaulustige stehen im Halbkreis auf dem Schloßplatz. Das Army Drum Corps spielt die übliche Militärmusik, ein paar Wachen exerzieren und plötzlich, ich traue meinen Ohren kaum, spielen sie Dancing Queen, Money, Money, Money und Waterloo, danach noch ein wenig Swing und Rock’n Roll, die Zuschauer sind begeistert.
Inzwischen bin ich total durchgefroren, denn es weht ein eisiger Wind. Zeit für das Cafe! Es ist wirklich schön, das Interieur ist zwar nicht mehr vollständig original aus dem 18. Jahrhundert, aber das Cafe verströmt noch viel von dem Charme dieser Zeit und läßt die alte Pracht ahnen. Die heiße Schokolade ist die Beste, die ich seit langem getrunken habe und das Kuchenbuffet sieht derartig verlockend aus, dass ich es, trotz der Preise, schon beinahe bedaure, keinen Hunger zu haben.
Ich habe mich wieder aufgewärmt und laufe hinüber nach Södermalm, zum Katarinen Lift , von wo aus ich die atemberaubende Aussicht genieße.
Ich lauf noch ein bißchen durch dieses Stadtviertel, vorbei an vielen kleinen Home Design Shops, komme an einer kleinen Schokoladenfabrik vorbei, wo man von außen zuschauen kann, wie Trüffel produziert werden und kann nicht widerstehen, mir ein paar zu kaufen.
Es ist inzwischen 15.00 und dunkel. Ich laufe wieder zurück Richtung Gamla Stan, zum Fähranleger, wo ich die Fähre nach Djurgarden nehme, denn ich will ins Vasa Museum. Eine Kollegin hat mir gesagt, dass ich mir das unbedingt anschauen muß, sonst bin ich nicht in Stockholm gewesen. Auch wenn das vielleicht ignorant klingt, aber ich habe keine Ahnung was mich da erwartet, und da es dunkel und kalt ist, gehe ich ins Museum.
Das Museum sieht aus wie ein großes, sinkendes Schiff, eine perfekte Hülle für das, was der Besucher hier zu sehen bekommt. Die Vasa, ein Holzschiff aus dem 17.Jahrhundert, gebaut, um in die Schlacht zu ziehen gegen Polen. Es hatte zwei Kanonendecks, die unteren Luken waren für Salutschüsse geöffnet, als das Schiff den Hafen verließ. Es genügte ein wenig Wind, damit das Schiff Schlagseite bekam, denn es war sehr schmal und hatte einen zu hohen Schwerpunkt. Zwar konnte die Mannschaft das Schiff nochmal aufrichten, aber mit größerer Entfernung zum Hafen wurde auch der Wind stärker und trieb Wasser in die unteren Luken. Das Schiff sank nach nur 20 Minuten Jungfernfahrt. Es wurde in 1961, nach 333 Jahren auf dem Meeresgrund in einer atemberaubenden Aktion geborgen. Das wenig salzhaltige Wasser der Ostsee hat keinen größeren Schaden am Holz angerichtet, es war nur total verschlammt und konnte zum größten Teil wiederhergestellt werden. Es war und ist ein prächtiges Schiff.
Tief beeindruckt mache ich mich auf den Heimweg. Ich hoffe, unterwegs ein typisch schwedisches Restaurant zu finden, aber ich sehe nur asiatische und italienische Restaurants. Im Hotel sagt man mir, dass es hier nicht wirklich ein Restaurant mit typisch schwedischer Küche gibt. Ich bin hundemüde und will nicht mehr laufen, aber ich würde gern nochmal Hering oder Lachs essen. Die Concierge überlegt ein wenig und findet tatsächlich in der Nähe des Hotels ein “tolles” Restaurant, mit annehmbaren Preisen. Sie reserviert den Tisch online! Inzwischen sind meine italienischen Kollegen auch angekommen. Das Restaurant ist nur 200 Meter Luftlinie vom Hotel entfernt. Wir bekommen unseren Hering, als Vorspeise, in fünf Variationen und auch den Lachs. Es ist lecker, teuer und die Bedienungen nicht eben besonders freundlich.
Die kurze Zeit, die ich in Schweden verbracht habe, zuerst in Nyköping, und nun diesen Tag hier in Stockholm, habe ich mich nicht besonders willkommen gefühlt. Die Leute waren, bis auf wenige Ausnahmen, die allerdings nicht gebürtige Schweden sind, nicht besonders freundlich, sie sind sehr robust und kurz angebunden zu, halten sich nicht mit Höflichkeiten auf, man kommt gleich zum Thema. Vielleicht liegt das ja am rauhen Klima.
3.30 Uhr in der Nacht klopft es sehr laut an meine Zimmertür. Es brennt, das Nachbarhaus, alle müssen raus. Obwohl es ziemlich laut auf dem Hotelflur ist, habe ich nichts gehört. Ich war so müde und k.o., ich habe tief und fest geschlafen. Ich brauch ein paar Sekunden um mich zu sammeln. Ich zieh mir schnell was Warmes über, werfe meine Sachen in den Koffer und haste die Treppe runter. Aus dem Keller des Nachbarhaus qualmt es, die Feuerwehr hat die ganze Straße abgeriegelt, die Hotelgäste stehen auf der Straße, es ist kalt und alles ist total verräuchert. Der Spuk dauert eine Stunde, dann können wir wieder zurück in unsere Zimmer.
Alle sind ein wenig verunsichert, einige Hotelgäste können wegen des Qualms nicht in ihre Zimmer zurück. Ich leg mich aufs Bett und schlafe sofort wieder ein.