Die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, wo noch heute meine Eltern und meine Schwester wohnen. Vor zwei Jahren war ich das letzte Mal hier, allerdings habe ich damals mehr Zeit mit meiner Familie verbracht als mir die Stadt anzusehen. Heute habe ich einen ganzen Tag Zeit, um mich umzuschauen. Ich fahre mit der Straßenbahn durch die Ostvorstadt ins Stadtzentrum. Es ist ein Jammer, ganze Straßenzüge mit Gründerzeithäusern liegen verlassen und verwahrlost da.
Aber dann, das schöne Stadtzentrum. Es wurde prächtig herausgeputzt, es wird an allen Ecken gebaut, ein neuer Universitätscampus entsteht mitten in der Innenstadt. Die Stadt ist voll mit jungen Leuten, teuren Geschäften, Cafés und Restaurants. Dazwischen ein paar ältere Herrschaften und einige Touristen.
Ich schlender durch die Passagen der alten Messehäuser, bewundere die perfekt restaurierten Jugendstilfassaden und frage mich, wer all das bewirtschaftet und bewohnt. Viele Büro- und Ladengebäude stehen leer, ebenso viele Wohnungen etwas außerhalb des Stadtkerns.
Dennoch, die Stadt macht auf mich den Eindruck, als wenn es ihr nun so langsam gelingt, an alte Traditionen anzuknüpfen und sich der Welt zu öffnen. Leipzig ist seit 1200 Messestadt, hier haben bekannte Musiker gelebt und gearbeitet, hier gibt es weltberühmte Kirchen, es hat sich eine junge, international erfolgreiche Kunstszene etabliert. Dafür ist ein gewisses Maß an Offenheit, Neugier und Kreativität notwendig, Merkmale, die den Sachsen von jeher zugeschrieben wurden und die lange Zeit verschüttet schienen.
Es scheint mir, als ob die Menschen dieser Stadt diese Stärken nun wieder entdecken.