Als ich am Bahnhof Bad Godesberg ankomme, regnet es in Strömen. Kein Taxi, kein Regenschirm, also muß ich laufen.
Ich gehe die Rheinallee entlang, vorbei an den prächtigen Jugendstilvillen. Schön und reich sehen sie aus, oft mit großen Vorgärten, die schon beinahe kleine Parks sind. Nirgendwo ein Name an der Tür, aber unbewohnt sind sie nicht. Mir fällt Heinrich Bölls “Frauen vor Flußlandschaften” ein.
Ich wohne für eine Nacht in dieser Straße, im Hotel Kronprinzen, ebenfalls eine wunderschöne Jugendstilvilla, liebevoll und sehr persönlich zu einem kleinen Hotel umgebaut. 5 Zimmer gibt es hier. Ich bin ziemlich durchweicht, als ich ankomme. Die Empfangsdame teilt mir sehr charmant mit, dass sie mich leider nicht in diesem Haus unterbringen kann, da sie wegen Stammgästen kurzfristig umdisponieren mußte. Es gibt aber noch ein Gästehaus in der Nähe des Stadtparks und dort werde ich schlafen. Selbstverständlich übernimmt das Hotel die Kosten für das Taxi dahin.
Sie stellt mir die Rechnung aus und wird plötzlich sehr persönlich, als sie sieht dass ich aus Frankreich komme. “Ich liebe Frankreich, die Leute sind so anders dort, das Land ist wundervoll und ich habe Freunde in Paris.“ Sie kommt aus Bulgarien und lebt seit 2 Jahren in Deutschland, um Geld zu verdienen, sie will nicht für immer bleiben. Ich gebe ihr noch die Adresse unserer Appartement-Website. Vielleicht sehen wir uns ja mal in Fitou.
Das Gästehaus ist auch eine alte Villa, ein perfekt und komfortabel eingerichtetes Zimmer erwartet mich.
Am nächsten Morgen laufe ich durch den Stadtpark zur Stadthalle, wo ich für zwei Tage an einer Konferenz teilnehme. Es hat aufgehört zu regnen, aber alles ist noch pitschnaß. Ein paar Arbeiter harken die Wege im Park. Kein Laub, nirgends.
Thema der Konferenz ist das LifeLongLearning Programm der EU. In der ersten Forumsdiskussion geht es auch gleich ans Eingemachte, nämlich um Empfehlungen des Innovationskreises Weiterbildung zur Modernisierung der beruflichen Bildung. Eine Vertreterin des Innovationskreises und ein Vertreter aus dem Bundesbildungsministerium erläutern ihre Arbeit und vorallem die Ergebnisse der Diskussionen. Die Empfehlungen wird die Bundesbildungsministerin den Bildungsministern der Bundesländer nahe legen. Mehr geht nicht innerhalb der föderalen Strukturen im deutschen Bildungswesen. Die Empfehlungen sind gut, zukunftsweisend und für mich teilweise Selbstverständlichkeiten. Man will u.a. mehr Wert auf Bildungsberatung legen, Kriterien für die Beratung und für den Berater an sich definieren. Bei diesem Thema wird die Diskussion lebhaft und es geht sehr durcheinander mit den Begriffen Berater und Coach.
Ich nutze die Mittagspause um mir die kleine, beschauliche Innenstadt anzusehen. Gutsituierte Menschen schlendern umher, meist im höheren Lebensalter. Eine perfekte, reiche, satte Welt, mit schönen, alten Häusern.
Ein bißchen wie ein Museum der alten Bundesrepublik. Ich muß wieder an Heinrich Böll denken.