Wenn ihr in Kenia seid, müßt ihr eine Safari machen. So sprachen Bekannte und so machten wir uns auf die Suche nach einem passenden Angebot.
In Kenia gibt es 22 Nationalparks, die meisten davon wurden zum Ende der Kolonialzeit eingerichtet, was meist mit der Vertreibung der dort ansässigen Bevölkerung einherging.
Da wir inzwischen in Malindi sind, haben wir uns den Tsavo East Nationalpark für unsere Tour ausgesucht. Es gibt Tsavo East und Tsavo West. Die beiden Parks sind durch eine Strasse getrennt und fast so gross wie Belgien.
Ich hab ewig im Internet recherchiert und für eine 2 tägige Safari werden Preise zwischen 500 und 900 € aufgerufen. Das Programm ist dabei immer ähnlich: 3 game drives, Übernachtung in einer Lodge mit Lunch und Dinner, Wasser für unterwegs.
Ein game drive bedeutet eine Pirschfahrt im offenen Geländewagen um die Tiere des Parks zu sehen. Nicht zu verwechseln mit game hunt, eine Pirschfahrt um Tiere zu schießen.
Das Wort Safari kommt übrigens aus dem Arabischen und bedeutet Ausflug. Nur eine Minderheit der Kenianer kann sich einen Ausflug in die Nationalparks leisten, auch wenn der Eintritt mit ca. 5$ (Ausländer zahlen 52 $) eher moderat ist. Es scheitert oft schon an den Kosten für Anreise und Übernachtung.
Wir waren nicht besonders an einer luxuriösen Unterkunft interessiert sondern an der Landschaft und daran, die Wildtiere in ihrem angestammten Lebensraum zu sehen. Am Ende haben wir dann eine Tour vor Ort in Malindi gebucht, auch weil wir einheimische Veranstalter unterstützen wollten. Die meisten Hotels und Touristenprogramme werden von Ausländern betrieben, die Erlöse fließen fast vollständig in die Herkunftsländer zurück.
Andrew, unser Safariveranstalter, war sichtlich überfordert uns die Zusammensetzung des Preises und den Ablauf zu erklären, aber er war sehr freundlich.
Er hatte seinen besten Fahrer, so sagte er, engagiert, denn die Straßenverhältnisse waren etwas schwierig nach dem Regen der vergangenen Wochen. Sie haben uns morgens 06:30 abgeholt und los ging es Richtung Tsavo East. Von Malindi zum nächstgelegenen Eingang in den Park, dem Sala Gate, sind es nur ca. 106 km, aber man braucht dafür schon 2,5 bis 3 Stunden. Denn was hier als Straße bezeichnet wird, würden wir in Europa einen mehr oder weniger gut befahrbaren, breiten Feldweg nennen.
Wir haben Station an einem Community Haus gemacht, wo die üblichen Souvenirs angeboten und wir freundlich genötigt wurden, mit einem Kauf eben diese Community zu unterstützen. Derartig in die Enge getrieben haben wir zwar nichts gekauft, aber etwas Geld gespendet. Derjenige, der das Geld entgegen genommen hat, war übrigens ein sehr wohlgenährter Afrikaner, der rauchend in einer Ecke saß und von dort das Geschehen kommentiert hat. Die übrigen Leute waren eher ärmlich, sehr dünn und bei ihnen hatten wir schon das Gefühl, dass sie jede Zuwendung gut gebrauchen könnten.
Auf der Fahrt zum Park sahen wir viele einfache Siedlungen, Kinder, die am Straßenrand standen, Kunststücke vollführten, in der Hoffnung auf irgendwelche Zuwendungen und Viehirten, die äußerst magere Kühe und Ziegen vor sich her trieben.
Die einfachen Häuser sind eigentlich genial gebaut: ein Gerüst aus relativ dünnen Holzstämmen, verbunden mit Seilen aus Palmen oder Wurzeln, die Gefache dazwischen ausgefüllt mit Steinen und Erde, von außen verputzt mit Erde und einem Palmendach. Die reicheren Hütten hatten ein Blechdach. Ich denke, die Fachwerkbauweise haben wir uns von den Afrikanern abgeguckt 🙂 Die Hütten bestehen aus einem Raum, manche sind unterteilt in eine Küchennische, wo zum Kochen ein offenes Feuer brennt.
Aber zurück zur Safari.
Gleich am Eingang zum Nationalpark, am Ufer des Galana haben wir Krokodile gesehen, und ein paar Minuten später schon eine Elefantenfamilie. Auf dem Weg zu unserer Lodge, die ca. 2 Stunden vom Eingang entfernt liegt, haben wir jede Menge Antilopen, Gazellen, Elefanten, große und kleine Vögel, eine riesigen Strauß, Giraffen, Zebras und Affen gesehen. Das war sehr beeindruckend und irgendwie unwirklich. Die Elefanten zu sehen hat mich froh und auch irgendwie traurig gemacht. Lebten in den siebziger Jahren noch ca. 40.000 Elefanten in Tsavo, sind es heute, durch die Folgen von Wilderei, nur noch ca. 5000. Wilderei wird dazu führen, dass diese Tiere aussterben.
Der Nationalpark ist nicht durch einen Zaun abgegrenzt. Jeder, der das Gelände kennt, kann hinein. Elefanten werden geschossen wegen des Elfenbeins, obwohl der Handel offiziell verboten ist. Aber der Schwarzmarkt blüht, auch wenn nur ein geringer Teil des Elfenbeins derzeit auf den Markt kommt. Der größere Teil wird gelagert in Erwartung weiter steigender Preise auf Grund des Rückgangs der Elefantenpopulation. Einfache Schuldzuweisungen helfen hier nicht wirklich, die Wilderer sehen in ihrer Tätigkeit eine Möglichkeit Geld zu verdienen und ihre Familien zu ernähren. Den großen Reibach machen diejenigen, die den Vertrieb kontrollieren. Die wenigen Patroullien des Wildlife Service können die bandenmäßig organisierten Wilderer kaum stoppen.
Nachdem wir in der Lodge angekommen und gegessen hatten, sind wir zu einem zweiten game drive aufgebrochen. Es hat in Strömen gegossen und wir waren ziemlich naß und hatten schon keine Lust mehr auf dieses Abenteuer. Aber Andrew und unser Fahrer wollten partout nicht umkehren, denn andere Fahrer hatten Löwen erspäht. Die Fahrer kommunizieren per Funk miteinander und helfen sich so gegenseitig beim Aufspüren der Tiere. Entsprechend war der Auflauf von Fahrzeugen an der Stelle, wo die Löwen saßen. Es war eine Familie mit 5 Jungen, die Schutz unter ein paar Sträuchern vor dem Regen gesucht hatte. Sie ließen sich überhaupt nicht von den vielen Beobachtern stören. Die Löwin hat jedoch immer darauf geachtet, dass ihre Jungen weit genug von den Menschen entfernt waren. Als der Regen ein wenig nachließ, tollten die Löwenkinder herum wie kleine Katzen.
Die Nacht in der Lodge war außergewöhnlich. Die Lodge liegt an einem Wasserloch und normalerweise kommen die Tiere in der Dämmerung zum Trinken her. Aber nachdem es soviel geregnet hatte, gab es überall genügend Wasser und kein großes Tier ist zum Wasserloch gekommen. Nach Einbruch der Dunkelheit haben sich stattdessen hunderte Vögel, Lurche und Insekten eingefunden um die ganze Nacht über ein ohrenbetäubendes Konzert zu veranstalten. Naiv wie wir waren, dachten wir, mit offenen Fenstern schlafen zu können, aber eindeutige Hinweise hielten uns davon ab. Das laute Konzert der Tiere haben wir trotzdem gehört, es verstummte erst bei Sonnenaufgang.
Unsere dritte Pirschfahrt war der Weg zurück zum Eingangsgate. Andrew und unser Fahrer waren nicht sehr erpicht darauf, ein paar Schlenker zu machen um möglicherweise noch ein paar Tiere zu sehen. Sie wollten nach Hause. Schließlich hatten sie uns von den Big Five (Elefant, Löwe, Büffel, Giraffe, Nashorn) bis auf das Nashorn alle gezeigt und alles was jetzt noch kam war zusätzlich. (Dem Nashorn widerfährt ein ähnliches Schicksal wie dem Elefanten, es ist beinahe ausgerottet!)
Wir haben erkennen müssen, dass diese einmalige Fauna und Flora für viele Afrikaner nur ein Mittel ist um Geld zu verdienen, aber keinen Wert an sich hat. Sie wundern sich darüber, dass Weiße so gern Tiere anschauen und dafür viel Geld bezahlen.
Die Tourguides sind meist in der Umgebung aufgewachsen und erzählen, was sie so aufgeschnappt haben, aber meistens wissen die Besucher eines Parks mehr als deren Guides. Das Bildungssystem Kenias favorisiert die eher Wohlhabenden. Zwar kann jeder acht Jahre kostenlos die Schule besuchen, aber die Kosten für Schuluniformen, Schuhe, Bücher, Schulmaterialien und Transport sind für viele Familien zu hoch. Daher quittieren nicht wenige Kinder noch vor dem Ende der achten Klasse die Schule. Eine Berufsausbildung kostet Geld, was die meisten wohl eher nicht aufbringen können. Der Staat vergibt zwar Stipendien, aber das Vergabesystem ist recht willkürlich und die Nebenkosten sind für die Auszubildenden oft unerschwinglich. Ich vermute mal dass eine Ausbildung in der Touristikbranche aus diesen Gründen für viele der Safariguides keine Option ist.
Am Ende haben wir wieder Halt am Galana Fluß gemacht und noch einmal das große, alte Krokodil gesehen.
Andrew, unser Guide hat mich dort gefragt, ob es denn in Europa keine Krokodile gibt.
Er wollte endlich nach Hause.