Ich bin für vier Tage in Helsinki. Das gleiche Wetter wie in Stockholm, grau, kalt und Regen.
Aber die Menschen, die sind anders!
Ich stehe buchstäblich im Regen versuche mein Hotel auf dem Stadtplan zu finden. Jemand fragt mich, wo ich hin will und erklärt mir den Weg. Sooft ich unterwegs anhalte um auf meinen Stadtplan zu schauen, hilft mir ungefragt jemand weiter. Im Hotel angekommen, bietet der Concierge mir sofort einen Kaffee an und läßt meinen Koffer aus Zimmer bringen.
Ich muß arbeiten, von morgens bis abends, deshalb habe ich in den nächsten drei Tagen nur wenig Zeit, um mir Helsinki anzuschauen.
Am Abend des zweiten Arbeitstages habe 90 Minuten Zeit für mich. Ich könnte in ein sehr altes, berühmtes Frauenbad in die Sauna und Schwimmen gehen oder einfach durch die Stadt laufen. Ich entscheide mich für die Stadt. Nach Stunden Arbeit am Schreibtisch brauche ich dringend frische Luft und außerdem hat es aufgehört zu regnen.
Ich laufe die Esplanade Richtung Hafen entlang, vorbei an den prächtigen, beleuchteten Häusern im Stil der Neo-Renaissance. Hier logieren alle bekannten Designer Labels, Banken, Notare und Beratungsfirmen. Das ist die Flaniermeile der Stadt, besonders im Sommer herrscht hier reges Treiben. Inzwischen hat es wieder angefangen zu regnen und ich suche Zuflucht im Ittaala Designer Shop und bin entschlossen, mir ein paar von den kleinen, aus dicken Glas hergestellten Windlichtern zu kaufen. Ich stelle mir eine Auswahl zusammen und guck erst dann, was diese kleinen Dinger kosten. Der Preis läßt mich tief Luft holen: 30 Euro das Stück! Das ist mir ehrlich zu viel für ein bißchen Glas (aber schön ist es!) und stelle meine Auswahl von 9 Windlichtern wieder zurück.
Am dritten Tag beenden wir unsere Arbeit schon am Nachmittag und machen eine Stadtrundfahrt. Es ist 15.30 Uhr und dämmert schon. Ich höre mehr den Erklärungen der Stadtführerin zu als dass ich etwas sehe. Sie erzählt so begeistert und enthusiastisch von ihrer Stadt, von ihrem Land. Ich frag sie, woher eigentlich das Faible für Design kommt und sie erzählt, das finnische Künstler und Handwerker auf der Weltausstellung in 1900 in Paris ausgestellt haben, obwohl sie damals kein eigenständiger Staat waren sondern von Rußland besetzt. Die Ausstellung hat große Aufmerksamkeit erregt und fortan wurde Design zu einem Instrument, die eigene Identität zu finden und zu bewahren. In den dreißiger Jahres des 19. Jahrhunderts wurden erste Designschulen gegründet und der Architekt und Designer Alvar Alto hat für die Modernisierung nicht nur der finnischen, sondern der skandinavischen Architekur gesorgt. Er war der erste, der Holz in feine Scheiben schnitt, erwärmte, bog und Schicht für Schicht wieder zusammenleimte. Dadurch konnte er Gebrauchsmöbel von hoher Stabilität herstellen. Alvar Alto Möbel finden sich heute in beinahe jedem (alten) Hausrat, zur Zeit der Anschaffung modern und billig, heute modern und teuer.
Wir steigen an der Felsenkirche aus, und genießen dort für einige Minuten ein Orgelkonzert. Die Kirche ist in den sechziger Jahren des 20.Jahrhunderts in einen Granitfelsen hineingebaut worden. Zur damaligen Zeit galt dieses Projekt als Größenwahn der Architekten, heute ist es ein sehr beliebter Ort für Konzerte. Das Kuppeldach ist von innen mit Kupfer verkleidet, der Granitfelsen ist roh und und ungeschliffen und schimmert in allen Farben.
Tolle Atmosphäre!
Meine rumänische Kollegin trifft in der Kirche Ion Iliescu, er war der erste demokratisch gewählte Präsident Rumäniens. Sie ist völlig begeistert, dass sie sich mit ihm unterhalten konnte, denn sie bewundert ihn sehr. Er macht Urlaub mit seiner Frau in Finnland, nur ein Bodygard steht neben den beiden. Unsere Reisefüherin erzählt, dass die finnische Präsidentin Tarja Halonen (und andere Regierungsangehörige) ganz normal, wie alle anderen im Supermarkt einkaufen gehen, ohne großes Aufgebot an Sicherheitspersonal. In den letzten Jahren hat sich der Politikstil mit dem Einzug jüngerer Menschen in die Politik geändert. Diese haben eine zumeist internationale Ausbildung erfahren und Erfahrungen in ganz “normalen” Berufen gesammelt und sind eher praktisch und lösungsorientiert veranlagt. Klingt sehr sympatisch!
Wir machen Halt am Sibelius Denkmal. Eila Hiltunen, eine finnische Bildhauerin, schuf dieses Denkmal 1967 aus rostfreien Stahl. Sie gab ihm den Namen “Passion of Music”. Es ist dunkel, das Denkmal wird ein wenig angestrahlt und es sieht aus, als ob es schwebt. Ich hätte nicht gedacht, dass es möglich ist, die Liebe, die Leidenschaft zur Musik in einem Denkmal auszudrücken. Aber hier, hier höre ich Musik. Dieses Denkmal war anders, als alle Musikerdenkmäler bevor, sehr umstritten und die Künstlerin vielen Anfeindungen ausgesetzt. Erst am Ende ihres Lebens wurde sie auch von ihren Landsleuten als Künstlerin anerkannt.
Der Abend endet in einem Restaurant das wie ein Logger Wohnhaus eingerichtet ist. Es ist eine Hommage an die Arbeiter in der finnischen Holzindustrie. Wir sitzen an uralten Tischen auf uralten (wackeligen) Stühlen. Die Tische sind mit altem Geschirr eingedeckt und zur Begrüßung gibt es erstmal trockenes Brot und Wodka aus dem Blechnapf. Das Essen, traditionelle, finnische Spezialitäten von Hering bis Elch ist lecker!
Ich esse erst am Nachmittag des nächsten Tages, zu Hause, wieder etwas (was auch daran liegt, dass ich bereits 4.00 Uhr aufstehen muß um nach Hause zu fliegen und erst 13.00 dort ankomme).