Jetzt sind wir schon eine Woche in Nairobi und ich habe so viel gesehen und so viele Geschichten gehört, dass ich erst mal etwas davon aufschreiben muß.
Ich war vor 10 Jahren schon einmal hier und die Stadt hat sich natürlich gewaltig verändert. Es wurde sehr viel gebaut, Wohnhäuser, Geschäftsgebäude, Shopping Malls und auch Straßen, kaum Fußwege. Der Autoverkehr hat sich gefühlt verzehnfacht, man kommt hier kaum ohne im Stau festzustecken irgendwo hin. Entsprechend verschmutzt ist die Luft. Wenn man das als Zeichen des Fortschritts sieht, dann hat sich das Leben hier für viele Menschen zum Positiven verändert. Mehr Menschen wohnen in festen Häusern mit einem relativ guten Standard und haben irgendeine Arbeit. Der Unterschied zwischen arm und reich ist hier sehr drastisch sichtbar und sehr, sehr groß. Es gibt hier Viertel, da glaubt man, sich in irgendeinem Luxus Stadtteil Westeuropas zu befinden und wenn man einmal um die Ecke geht, sieht man Menschen Blechhütten im Schlamm leben und arbeiten.
Die Gegensätze sind hier derartig groß, dass ich mich ernsthaft frage, warum hier keine Revolution ausbricht, warum alle so friedlich nebeneinander leben. Es sei die Einsicht, dass man nichts ändern kann, sagen die einen. Es ist die seit der Kolonialzeit gelernte Anpassung an die Verhältnisse, sagen die anderen. Die Gesellschaft ist korrupt, auf eine offene und manchmal eher subtile Weise. Wenn man etwas erreichen will, muß man entweder mitspielen oder man bleibt draußen und lebt am Rande dieser Gesellschaft.
Massai
Unser Führer durch den Hellsgate Nationalpark ist ein Massai. Sein Stamm lebt im Rift Valley und ist ungefähr 400 Menschen groß. Sie Leben dort schon immer und sind organisiert wie eine Community. Es gibt einen Ältestenrat der den Ältesten wählt. Dieser trifft die Entscheidungen in der Community. Der Älteste bleibt solange er gesundheitlich in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, die für die Menschen gut sind. Sollte sich dieser Zustand ändern, wird ein neuer Ältester gewählt. In den Rat rückt man auf durch sein Alter und durch besondere Verdienste für die Gemeinschaft. Natürlich sind das immer Männer. Frauen beeinflußen die Geschicke der Community indirekt, über ihre Ehemänner, Väter, Brüder. Nur eine sehr alte, weise Frau darf zu den Ältesten sprechen.
Wer unzufrieden ist und keine einvernehmliche Lösung in der Community für sein Problem erreichen kann verläßt diese und gründet eine neue.
Die Aufgaben in der Community sind klar geteilt: Frauen sind für den Haushalt, Erziehung der jüngeren Kinder und der Mädchen zuständig, sie stellen die typischen Gebrauchsgegenstände her, die auch auf Märkten in der Umgebung verkauft werden. Männer stellen Werkzeuge her, Krieger ziehen mit ihren Viehherden durch die Gegend, die Wege und Gebete sind seit Jahrhunderten festgelegt. Sie verteidigen noch heute mit ihren Speeren die Herden gegen Wildtiere und Viehdiebe. Sie bleiben teilweise 2,3 Jahre weg und kommen erst dann zu ihrem Stamm zurück.
Es gibt eine Schule und bald auch eine Krankenstation, alles eigenverantwortlich gebaut und betrieben von der Community.
Die Regierung Kenias beschneidet die Lebensgebiete der Maasai bzw. entzieht ihnen durch Ansiedlung von Industrie seit Jahren die Lebensgrundlage ohne Kompensation.
Manche arbeiten als Führer in Nationalparks, denn sie kennen sich perfekt in ihrer Heimat aus. Die Erlöse aus aller Arbeit und Verkäufen geht in einen großen Topf und werden von dort entsprechend der Beschlüsse des Ältestenrates verteilt.
Der Eintritt in den Park hat pro Person 26 $ gekostet. Im Park gibt es viele heiße Quellen, die auf eine die Umwelt sehr schädigende Weise für die Energiegewinnung genutzt werden. Ein Netz von Rohrleitungen durchzieht die Landschaft. Um zum Hellsgate zu gelangen braucht man einen Führer (was wirklich notwendig ist, da der Weg ohne erfahrene Hilfe nicht zu gehen ist). Das wird von den Massai für einen Preis von 20 $ übernommen. Die Tour dauert eine Stunde. An diesem Tag hatten die Massai schon drei Touren. Der Erlös daraus kommt in den großen Community Topf.
Ich habe Joe, unseren Führer gefragt, was er an seinem Leben ändern würde wollen, wenn nichts ihn behindern würde. Er brauchte fast die ganze Tour um darüber nachzudenken und am Ende hat er mir darauf geantwortet: Er wollte immer zur Universität gehen, hatte aber niemals das Geld dafür. Er hat zwei Kinder und er würde alles dafür geben, dass sie studieren könnten. Wahrscheinlich reicht sein Geld um seine 14 jährige Tochter zum College zuschicken, wenigstens für ein Jahr.
Blumen aus Kenia
Der Hellsgate Nationalpark liegt am Lake Naivasha, einem ehemaligen Vogel und Nilpferd Schutzgebiet. Am Ufer des Sees gibt es riesige Blumenfarmen, zum Teil in kenianischen, zum Teil in ausländischem Besitz. Die Regierung hat, um die Ansiedlung zu ermöglichen, den Firmen das Wasser des Sees zur kostenlosen Nutzung überlassen. (Der Strom kommt aus dem Nationalpark). Das mit Chemikalien verseuchte Abwasser wird ungeklärt in den See geleitet. Zum einen sinkt der Wasserstand kontinuierlich, zum anderen ist der See derartig verseucht, dass dort kaum noch Vögel, geschweige denn Nilpferde leben. Die Massai haben dort ihre Tiere zum trinken geführt und auch für sich selbst Trinkwasser entnommen. Nachdem viele Tiere nach dem Genuss des Seewasser verendet sind, mußten die Maasai ihre Herden verkleinern bzw. in entlegenere Gebiete ausweichen. Der See wird voraussichtlich in 10-15 Jahren biologisch tot sein. Dann werden auch die Farmen schließen und weiterziehen, nach China wahrscheinlich. Der Umzug hat schon begonnen.
Die Arbeiter in den Farmen verdienen zwischen 100 – 150 $ im Monat, haben keine Arbeitsschutzkleidung (Handschuhe!) und erkranken meist nach 15-20 Jahren an Haut- und/oder Lungen als Folge des Umgangs mit den Chemikalien die für die Blumenzucht verwendet werden.
Kazuri Beads
Kazuri ist Swahili und bedeutet etwas Kleines, Schönes. Und das sind sie auch, die Stücke die Frauen aus Lehm herstellen, und die bunt bemalt zu Ketten, Armbändern und allerlei Schmuckstücken zusammen gebaut werden. Das Projekt wurde in 1975 von Lady Susan Wood gegründet. Sie hat sozial benachteiligte Frauen eingestellt und ihnen so die Möglichkeit gegeben, zu arbeiten, Geld zu verdienen und für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Momentan arbeiten 350 Alleinerziehende Frauen in der Firma. Kazuri Beads werden mittlerweile in viele Länder exportiert, u.a. nach Deutschland, Italien, die Niederlande, Japan und UK.
Kitengela Glass
Es ist für mich eines der Wunder Afrikas, dass man überhaupt zu diesem Ort findet und nicht unterwegs mit einem defekten Auto liegen bleibt. Das letzte Stück Straße, ca. 7 km, verdient es nicht so genannt zu werden. Es ist auch nicht wirklich ein Feldweg, es ist ein mit riesigen Schlaglöchern und Steinen gespickter Weg für den man ca. 45 Minuten einplanen muß. Aber am Ziel angekommen, ist man in einer anderen Welt. In einer Welt, wo aus Altglas nicht nur Gebrauchsgegenstände, sondern auch Lampen, Fenster, Tore, Fußböden und Fliesen hergestellt werden. Die Gebäude sehen aus wie aus einem Märchenfilm, verziert mit allem, was man so auf einem Schrottplatz finden kann, und eben auch mit Glass.
1981 gegründet, ist es Ausbildungsplatz für junge Künstler aller Art, vom Designer, Metallarbeiter bis hin zum Glasbläser. Ich wäre am Liebsten für ein Praktikum dageblieben und hätte mir auch gern einen Riesenkarton gefüllt mit Gläsern, Schüsseln und Krügen gefüllt, aber der Transport nach Hause ist etwas schwierig.