In den vergangenen Wochen hab ich ein paar Bücher gelesen und ich dachte, ich schreib mal drüber weil ich oft gefragt werde "Kannst du mir ein Buch empfehlen?"
Shida Bazyar: Nachts ist es leise in Teheran
Erzählt wird die Geschichte einer iranischen Familie, beginnend in Teheran kurz vor dem Sturz des Schahs, endend in Deutschland. Drei Generationen einer Familie erzählen von sich, ihren Sehnsüchten, ihren Träumen und wie sie sich den realen Verhältnissen stellten. Sie erzählen davon, wie es ist in einem fremden Land anzukommen und dort aufzuwachsen, wie es ist als Besucher und Teil einer großen Familie in das Land ihrer Geburt zurück zu kehren, davon wie unterschiedlich gegen etwas protestiert wird und wie unterschiedlich die Konsequenzen daraus sind.
"Ist es hier schöner als in Deutschland? Gefällt es dir hier besser oder gefällt es dir in Deutschland besser? Willst du lieber hier wohnen oder lieber in Deutschland? Tara und ich antworten immer höflich: Nemidunam, Ich weiß es nicht. Weil wir nun einmal etwas antworten müssen und weil sich diese Frage allen stellt, nur nicht uns."
Ferdinand von Schirach: Carl Tohrberg
Drei Geschichten von Menschen deren Leben beinahe logisch auf ihren ganz eigenen Abgründe hinsteuert. Von einem Bäcker der die beste Torte seines Lebens bäckt, vom überraschenden Doppelleben eines Richters und von einem Menschen, der sich grausam von den Demütigungen seiner Mutter befreit.
Sahra Wagenknecht: Die Selbstgerechten
Ich bin ja in Frankreich nur auf lokaler Ebene wahlberechtigt, auf Landesebene, sprich wenn es um Präsidentschaftswahlen bzw. Kanzler:innenwahlen geht, darf ich nur in Deutschland, dem Land meiner Staatsangehörigkeit wählen. Das stellt mich zunehmend vor größere Herausforderungen da ich, trotz aktiver Lektüre deutscher Medien, nicht mehr wirklich weiß, wie sich die politischen Verhältnisse in Deutschland tatsächlich darstellen. Das Buch von Sahra Wagenknecht hat meine Aufmerksamkeit erregt, weil es so ganz und gar von verschiedenen Strömungen zerrissen wurde, aber die Rezension im Handelsblatt fand ich interessant.
Ich könnte vieles, was im Buch geschrieben unterschreiben, die Ausführungen beispielsweise zur Identitätspolitik und den sogenannten Lifestyle-Linken fand ich durchaus interessant, nur sind mir manche Schlussfolgerungen die S: Wagenknecht daraus zieht teilweise zu abstrus.
Aber ich denke, man sollte darüber sachlich diskutieren, egal, ob einem die Meinung gefällt oder nicht.
Ulrich Alexander Boschwitz: Der Reisende
Es ist die Geschichte eines jüdischen Unternehmers der im Jahr 1938 nicht die Veränderungen der deutschen Gesellschaft versteht und für beschließt, sich unauffällig zu verhalten. Er bemerkt zunehmend verunsichert, wie Freunde und Familie verschwinden oder sich abwenden, wie gleichgültig sich die Menschen gegenüber der zunehmenden Brutalität gegenüber Juden zeigen.
Julian Barnes: Liebe usw.
Ein Roman über die Liebe, die Ehe und den vielen Wegen die man geht um sich selbst und sein Glück zu finden.
"Die Angelsachsen meiner immer, sie selbst heiraten aus Liebe, die Franzosen dagegen heiraten wegen der Kinder, der Familie, der gesellschaftlichen Stellung, des Geschäfts....für die Angelsachsen gründet sich die Ehe auf die Liebe, und das ist eine Absurdität, denn die Liebe ist etwas Anarchisches, und die Leidenschaft stirbt auf jeden Fall, und das ist keine sichere Basis für die Ehe."
Sorj Chalandon: Am Tag davor
In 1974 gab es ein Grubenunglück in Nordfrankreich bei dem 42 Bergleute ums Leben kommen. Das Buch schildert das Leben der Bergarbeiter und wie die Kohle das soziale und öffentliche Leben einer Region bestimmt hat. Es ist ein Buch über Schuld, Verantwortung und Rache, darüber, wie verdrängte Schuld ein ganzes Leben verändert.
Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
Ein Buch über von sich und dem Leben gelangweilten Wohlstandsmenschen die alle irgendwie auf der Suche nach dem Glück sind aber nicht wissen, wie sie es finden können und sich selbst im Wege stehen.
"Dabei ist es ganz einfach. Vielleicht ist alles so einfach, dass wir es uns nur schwermachen, weil wir uns überschätzen und denken, so einfach kann es doch wirklich nicht sein."
Georges Perec: Die Dinge
Das ist eine sehr präzise Beschreibung des Lebens eines jungen Paares im Paris der 1960iger Jahre. Die Beschreibungen sind so genial, dass ich mir die Umgebung, die handelnden Personen, die Stimmung, die Einrichtungen der Wohnungen sehr genau vorstellen konnte. Das, was da beschrieben wird, das Streben nach Besitz und Geld, obwohl man sich öffentlich davon distanziert, ist heute noch so aktuell wie damals.
Robert Seethaler: Das Feld
Habt ihr auch schon einmal auf einem Friedhof Friedhof die Grabinschriften betrachtet und darüber nachgedacht, welche Leben die Toten gelebt haben, was sie miteinander verband, wie wohl die Zeiten so waren zu ihren Lebzeiten? Was vielleicht etwas morbide klingt, entpuppt sich als eine unterhaltsame Geschichte von Menschenleben, die alle irgendwie miteinander in Beziehung standen.
" Er war überzeugt davon, die Toten reden zu hören. Er konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber er nahm ihre Stimmen ebenso deutlich wahr wie das Vogelgezwitscher und das Summen der Insekten um ihn herum....Er malte sich aus, wie es wäre, wenn jede der Stimmen noch einmal Gelegenheit bekäme, gehört zu werden. Natürlich würden sie vom Leben sprechen. Er dachte, dass der Mensch vielleicht erst dann endgültig über sein leben urteilen konnte, wenn er sein Sterben hinter sich gebracht hatte."
Kazuo Ishiguro: Was vom Tage übrig blieb
Der Roman erzählt die Geschichte eines Butlers in einem englischen Herrenhaus. Sie führt ein in die Welt der Bediensteten großer Herrenhäuser, in die feinen Differenzierungen sozialer Schichten dieser Berufsgruppe und ihres Berufsethos. Die Karriere des Butlers erreicht ihren Höhepunkt in den Jahren der Machtergreifung Hitlers und endet in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die eher unfreiwillige, aber kaum vermeidbare Kenntnis zeitgeschichtlicher Vorgänge, wie beispielsweise die englische Appeasement Politik bringen den Butler zunehmend in Bedrängnis. Er beharrt zwar bis ins hohe Alter auf seinem Standpunkt, dass er keinerlei Verantwortung für das Handeln seiner Herrschaften hat, aber letztlich bleibt die Frage, inwieweit man Verantwortung zum Handeln übernehmen muß, wenn man Kenntnis von bestimmten Dingen hat.
Lana Bastasic: Fang den Hasen
Der Roman erzählt von zwei Mädchen, deren Freundschaft zerfällt so wie das Land während des Balkankriegs. 12 Jahre nach Ende des Krieges kommt es zu einem Wiedersehen welches in einem Roadtrip quer über den Balkan endet.
Die Sprache das Romans empfand ich als ziemlich spröde, vielleicht lag es am Thema, aber möglicherweise bin ich nicht die Zielgruppe für diese Geschichte.
Christian Berkel: Ada
Ein Roman einer Suche nach Herkunft und Zugehörigkeit, nach Liebe und Schuld am Ende des zweiten Weltkriegs in der BRD.
Erzählt wird von den Wirtschaftswunderjahren, dem Mauerbau und der 68iger Bewegung und vom großen Schweigen der Erwachsenen und über ihren Anteil an dem, was vor und während des Zweiten Weltkriegs geschah.
"Gab es in den Fünfzigerjahren so etwas wie ein Gefühl dafür, dass irgendetwas fehlte? Was war los in diesem Lummerland? Maikäfer flieg. Der Vater ist im Krieg. Die Mutter ist in Pommernland. Und Pommernland ist abgebrannt. Maikäfer flieg.
Der Maikäfer flog zu allen Gelegenheiten. Selbst meine Mutter trällerte das Lied beim Aufräumen oder Saubermachen. Es war, als gingen wir über eine Brücke, ohne es zu merken. Wohin? In unsere Vergangenheit? Ich glaube, dass wir keine Vergangenheit hatten. Zumindest versuchte jeder diesen Eindruck zu erwecken."