Ein Jahreswechsel ist für viele Menschen Anlaß Bilanz zu ziehen, Pläne zu schmieden und neue Vorsätze für das kommende Jahr zu fassen. Nicht selten sind die neuen Vorsätze auch die alten, hat man sie doch im vorigen Jahr aus verschiedenen Gründen nicht verwirklichen können. Meistens ist irgendetwas dazwischen gekommen womit man stattdessen seine Zeit verbracht hat. Manchmal sind das wirklich unerwartete, relativ unbeeinflußbare Ereignisse, wie beispielsweise eine schwere Krankheit, Krieg, Tod oder auch politische Faktoren, die das “normale” Leben aus den gewohnten Bahnen werfen.
Viel öfter jedoch verfällt man nach einigen Tagen oder Wochen der Neujahrs-Euphorie wieder in zurück in den alltäglichen Trott, scheinbar unfähig auszubrechen.
Das passiert so leise und selbstverständlich, wir ergeben uns einfach den unausweichlich erscheinenden Anforderungen, Aufgaben, Notwendigkeiten, Reizen und Zwängen. Übrig bleibt oft das Gefühl zu wenig Zeit zu haben, man ist müde und erschöpft und das Verlangen abzuschalten unendlich groß. Es war wahrscheinlich noch nie so einfach, Zeit einfach zu verschwenden, vorm Fernseher, im Internet, in Shopping Malls, etc.
Wir alle haben Zeitreserven, aber man braucht schon ein gewisses Maß an Ehrlichkeit sich selbst gegenüber diese auch zu entdecken oder aufzudecken – im wahrsten Sinne des Wortes 😉
Jetzt denken Sie bestimmt an das Wort Zeitmanagement? Ein Wort, welches ziemlich abschreckend für viele klingt, wird es doch meist mit noch schneller, mehr und effizienter sein im Job verbunden. Aber eigentlich bedeutet Zeitmanagement der bewußte Umgang mit der zur Verfügung stehenden Zeit. Ich komme auf die klassischen Schritte, wie man das erreichen kann noch zurück. Zunächst aber möchte ich einmal aus einer anderen Perspektive darauf gucken, wie wir Menschen unsere zur Verfügung stehende Zeit verwenden.
Menschen haben, psychologisch gesehen, die gleichen Grundbedürnisse. Jeder Mensch braucht Anregung und Inspiration, muß sich mitteilen können mit seinen Ideen und dafür Zuwendung und Aufmerksam erhalten und er muß irgendwie seine Zeit gestalten. Manche Menschen planen die Verwendung ihrer Zeit nicht (bewußt), sie verbringen ihre Zeit aber mit irgendwas. Es scheint einem Menschen beinahe unmöglich zu sein, wirklich nichts zu tun. Irgendwas tut er immer: schlafen, denken, sehen. Die wenigsten Menschen sind überhaupt in der Lage allein zu sein, nichts zu tun und sich dabei nicht zu langweilen. Am Deutlichsten wird das, wenn sich Menschen außerhalb ihrer gewohnten Situation befinden, beispielsweise im Urlaub, bei Renteneintritt oder in Arbeitslosigkeit.
Zeitgestaltung
Man kann die Art, wie Mensch seine Zeit gestaltet in Abhängigkeit von der emotionalen Intensität und dem damit verbundenen emotionalen Risiko betrachten (siehe Eric Berne, Spiele der Erwachsenen. Psychologie der menschlichen Beziehungen, Hamburg 1970, Seiten 57-66) :
- Rückzug
Das könnte man als Verweigerung von Interaktionen mit anderen Menschen verstehen, körperlich anwesend sein, im Kopf jedoch abwesend (sich weg träumen). Aber auch die Zeit, die jemand mit sich allein verbringt um sich auszuruhen, zu schlafen. Dementsprechend ist hier der Grad der emotionalen Intensität hier sehr gering. - Rituale
Das sind mehr oder weniger automatisch verrichtet Aktivitäten, wie beispielsweise jemanden grüßen, duschen, essen, ein Gebet sprechen, den Tag auf eine bestimmte Art beginnen, beenden, Weihnachtsfeier oder andere Zeremonien. Rituale bieten Sicherheit und sind vorhersehbar. Man muß keine emotionalen Bindungen zu anderen Menschen eingehen (religiöse Rituale, Cocktailparty, Begrüßungsrituale). Dabei ist man aber schon etwas mehr in Kontakt mit anderen Menschen, es besteht also ein vergleichsweise höheres emotionales Risiko als beim Schlafen 😉 - Zeitvertreib
Im negativen Sinn bedeutet Zeitvertreib eine Methode zur Abwehr von Schuld, Intimität, Verzweiflung, usw. Im positiven Sinn dient der Zeitvertreib der Suche nach Erkenntnis, Informationen, Bindung. Er geschieht um seiner selbst willen (schlendern, im Cafe sitzen, …).
Zeitvertreib kann die Grundlage für die Auswahl von Bekannten sein, zur Entstehung von Freundschaften führen und zur Bestätigung der eigenen Einstellung dienen. Das beste Beispiel hierfür ist Small Talk, unverbindliches Geplauder, und das geht natürlich nicht ohne eine gewisse Emotionalität. - Aktivität
Unter Aktivität versteht man zielgerichtete Beschäftigungen, wie beispielsweise arbeiten, lesen, putzen, kochen, lernen, Sport treiben, etwas bauen, gestalten, etc. Diese Tätigkeiten sind befriedigend, wenn sie kreativ und/oder nützlich sind. Wir gehen alle irgendwann mal zur Schule, einkaufen oder einfach zur Arbeit und treffen dabei auf andere Menschen, zu denen wir mehr oder weniger emotional enge Beziehungen aufbauen.
Die Nähe zu anderen Menschen ist dabei nicht zwingend (alleiniges, nächtelanges arbeiten). Man kann zielgerichetete Beschäftigungen auch allein ausüben und so ein höheres emotionales Risiko vermeiden und die und die emotionale Intensität gering halten, aber gemeinhin ist dem eher nicht so. - Spiele
Gemeint sind psychologische Spiele, die harmlos oder auch emotional gefährlich sein können. Bei einem psychologischen Spiel ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist. Der Spieler arbeitet also mit verdeckten Karten. Oft ist es eine Form der Kontaktaufnahme (oder des Zeitvertreibs) und ist in der harmlosen Form von der Gesellschaft mehr oder weniger akzeptiert.
Klassisches Beispiel: Das ist aber ein interessantes Bild, haben Sie das gemalt? Es folgt ein Wortwechsel über den Aufbau des Bildes. Am Ende fragt der Erste: wollen wir zusammen essen gehen? Hier äußert er erstmalig seine eigentliche Absicht, denn das Bild interessiert ihn nicht wirklich, der Maler interessiert ihn aber schon.
Ein Spiel bietet allen Beteiligten den Schutz der inneren Lebensanschauung, ohne sie entlarvend bloßzustellen. - Intimität
Das ist die aufrichtige, uneigennützige Beziehung zwischen Menschen und die wertvollste Art Zeit zu verbringen. Das emotionale Risiko ist hier am Höchsten. Tarnung oder gar destruktives Verhalten sind nicht notwendig. Intimität ist absolut spielfrei. Geben und Nehmen sind spontan, Intimität ist ohne Furcht, ohne Besitzgier, unbedingt, unabhängig von Schönheit und Nutzen. Es ist die wahre Liebe.
Diese Systematisierung enthält keine Wertigkeit und die Übergänge zwischen den Arten wie man seine Zeit verbringt, sind fließend. Aus einem Ritual kann sich schnell ein Zeitvertreib und daraus eine Aktivität entwickeln oder umgekehrt. Vielmehr ist diese Einteilung hilfreich wenn man einmal genauer schauen will, wie man seine Zeit gestaltet und wo eventuelle Defizite liegen. Idealerweise ist die Art, wie Zeit strukturiert wird, ausgewogen. Wenn man über einen längeren Zeitraum eine oder mehrere Kategorien vernachlässigt, führt das über kurz oder lang zu Spannungen, Burnout, Ersatzhandlungen (Sucht) und/oder Abwehrverhalten.
Natürlich sollte man diese Systematik nicht wie eine Schablone benutzen sie immer im Licht der momentanen Lebenssituation sehen. Wir können uns ändern, und die äußeren Umstände ändern sich auch 😉
Beobachten Sie sich einmal selbst, um einen Überblick zu bekommen, wie Sie Ihre Zeit tatsächlich verwenden.
Zeitmanagement
Also schauen wir doch jetzt einmal, wie wir unsere Zeit besser einteilen können. Hier kommt das klassische Zeitmanagement ins Spiel. Die relativ einfachen Grundregeln kann man sowohl im privaten wie auch beruflichen Umfeld anwenden und je nach Bedarf weiter aufdröseln und tiefgründig anwenden:
- Ziele setzen:
Warum will ich dieses oder jenes erreichen?
Was stelle ich mit dem Erreichten an?
Was wird dadurch für mich anders? - Organisation:
Was brauche ich, um dieses oder jenes zu erreichen?
Welche Umgebung, Hilfe, Werkzeuge, Voraussetzungen sind notwendig? - Planung:
Wann tue ich was und wie lange?
Wie kann ich komplexe in kleinere Aufgaben aufsplitten?
Welche Aufgabe kann ich wann am besten erledigen (morgens, abends, nachts)? - Prioritäten setzen:
Wie wichtig ist die Aufgabe?
Wie eilig ist diese Aufgabe?
Die größte Falle hier ist, schon bei der Analyse dessen aufzugeben, was man braucht, um bestimmte Ziele zu erreichen. Wenn Sie dort stecken bleiben, dann haben Sie wahrscheinlich nicht ihr wirkliches Ziel formuliert 😉
Machen Sie sich einen Plan, einen detaillierten für die Woche, einen etwas gröberen für den Monat, das Quartal, das Jahr. Setzen Sie sich Zeitlimits, beachten Sie Deadlines, planen Sie einen Zeitpuffer ein, vermeiden Sie Ablenkung und lernen Sie, Nein zu sagen und zu delegieren.
Mein Zeitplan enthält Prioritäten und die Zeitkomponente und wenn Sie mögen, können Sie Ihre Aufgaben auch entsprechend obiger Systematik zur generellen Zeitstrukturierung kennzeichnen.
Mir hat das besonders in Streßsituationen geholfen, nicht den Überblick und mich selbst zu verlieren. Mittlerweile muß ich mir das nicht mehr aufschreiben, sondern kreiere meinen Plan im Kopf, was manchmal zu Schwierigkeiten mit meiner Umgebung führt, die ja nicht in meinen Kopf hineinschauen kann 🙂
Sie fühlen sich jetzt schon überfordert und das dauert alles zu lange, braucht Zeit, die sie nicht haben?
Am Anfang sicher, aber Sie können es sich zur Gewohnheit machen und dann wird es ein Ritual, dem sie ein bestimmtes Zeitfenster zuordnen. Das geht dann immer schneller und einfacher und es spart Zeit.
Versuchen Sie es mal, Sie haben gerade eben ein ganzes Jahr neue Zeit geschenkt bekommen 🙂